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Tipps zur Geflügelzucht

Ein großer oder mehrere kleine Stämme?


Viele unserer Geflügelzüchter, vielleicht auch Enten- und Gänsezüchter, werden sich sofort zu Wort melden und ganz einfach sagen - na ja, es ist alles gut und schön, ich habe aber nur Platz für einen Stamm, ich habe etwas weniger Auslauf oder Fläche. Das mag richtig sein. Trotzdem soll an dieser Stelle angeregt und nachgedacht werden, ob es nicht doch möglich wäre, nicht einen großen Stamm, sondern eventuell zwei, drei oder auch vier kleinere Stämme, zumindest kurzzeitig, zusammenzustellen.


Einige ausgewählte Vorzüge von mehreren kleineren Stammen in der Zucht sollen hier genannt werden:


      - es können mehrere Paarungsvarianten erprobt werden

      - eine höhere Sicherheit der Nachkommenzahl ist gegeben

      - eine höhere Variationsbreite der Ausprägung der Merkmale ist sicher

      - eine leichtere und bessere Zuordnung geeigneter Paarungspartner wird vorgefunden

      - die Inzucht kann im geringeren Maße gehalten werden

      - es ist möglich, verschiedene Linien aufzubauen

      - damit kann eine längere Zeit ohne Zukauf und den damit verbundenen Problemen gezüchtet werden

      - es können geprüfte Alttierstämme neben zu prüfenden Jungtierstämmen und Probier- oder Kreuzungsstämmen gehalten werden

      - ein schnellerer züchterischer Fortschritt ist auf jeden Fall garantiert.


Oftmals ist es so, dass wirklich nur ein Hühnerstall und ein Auslauf vorhanden sind. Wann sammeln wir nun unsere Bruteier? Die Termine sind doch aufgrund der Schauen immer früher geworden. Im Endeffekt spielt der Auslauf doch kaum oder überhaupt keine Rolle, d. h. die Tiere sind zu dem Zeitpunkt, wo die Eier für die Brut gesammelt werden, im Stall. Somit wäre es sofort denkbar, einen Zuchtstamm im Zuchtstall zu behalten, einen weiteren kleineren im späteren Kükenstall und vielleicht einen dritten im Jungtierstall unterzubringen. Auch über die zeitweilige Unterteilung des Zuchtstalles, nur zum Sammeln der Bruteier, sollte nachgedacht werden.


Natürlich ist es wichtig, wenn der Kükenstall genutzt wird, dass die Tiere dann diesen schnell wieder verlassen. Aber wenn die Bruteier gesammelt und in die Maschine gelegt werden, kann der Stamm aus diesem Stall auch aufgelöst werden. Wichtig ist es, dass diese Ställe gründlich gereinigt und desinfiziert werden und nicht erst wenn die Küken bereits vor der Tür stehen.


Genauso gibt es oftmals noch andere Möglichkeiten, ohne dass es den Tieren schlecht geht. Die Tiere können in einem geschützten Raum, wo man gute Licht- und Luftverhältnisse schafft, eine Sitzstange, das Nest und die Futter-und Tränkmöglichkeiten sowie Sandbad und andere Dinge unterbringen kann, aufgestaut werden. Ist das Sammeln zumindest der ersten Brut beendet, kann man eine Woche später noch einmal sammeln und danach auch schrittweise die Stämme auflösen. Der Verfasser hat es in der Regel so gehandhabt, dass beim Sammeln sehr viele verschiedene Stämme vorhanden waren. Nachdem die Bruteier in der Maschine lagen, wurden dann unter Umständen alle Hähne (bis auf den besten, der weiter in der Zucht verbleiben sollte) entfernt und teilweise mit einigen Hennen weggegeben. Ein etwas größerer Stamm blieb dann für den Sommer und für die weitere Bestandserhaltung im Bestand. Auf jeden Fall waren dann Bruteier von drei, vier und mehr Hähnen in der Maschine und die Möglichkeiten einer breiten Vielfalt, um auf die zehn einleitenden Punkte zurückzukommen, gegeben. Ich kenne Züchter, auch von Enten, die es so handhaben und dann die überzähligen Erpel schlachten. Oftmals ist es aber so, dass es doch noch bei einigen Züchtern Probleme gibt. Diese Zuchtfreunde sind froh, dass sie einen Hahn oder einen Erpel bekommen und auch noch eventuell etwas Nachzucht erzielen.


Zuchtstamm 1,3 La Fléche, weiß


An die eigene Arbeit erinnernd, möchte ich ein Beispiel einflechten, dass man unter Umständen gar nicht so viel Platz braucht. In den siebziger Jahren waren in der ehemaligen DDR einmal die gold-weißgesäumten Wyandotten, damals noch weiß-gold bezeichnet, fast am Ende. Da ich das große Glück hatte, noch den Erzüchter, Fritz Schurer, kennenzulernen und mir aus dessen Unterlagen einiges aufgeschrieben habe, kam der Gedanke aus weißen und goldenen Wyandotten weiß-goldene zu erzüchten.


Nun war damals der Platz bei mir eng. Ein Abteil wurde geräumt und es wurden die Hähne getrennt von den Hennen gehalten und jeden Morgen die entsprechende Henne dem Hahn zur Paarung vorgeführt. Somit konnten am Ende vier Stämme mehr oder weniger in einem Abteil gehalten werden. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich bei einer Deckpaarung besonders hohe Befruchtungsraten erhielt. Sie lagen im ganz normalen Bereich. Aber ich konnte auf der einen Seite ganz genau Abstammungsnachweis führen und auf der anderen Seite, wenn auch kein Platz vorhanden war, die Tiere in diesem Raum züchten und halten.


Hier sollen noch einmal die einzelnen Vorzüge von mehreren kleineren Stämmen in der Rassegeflügelzucht aufgeführt werden:


1. Mehrere Paarungsvarianten


Sehr oft ist es leider so, dass man für den jeweiligen Hahn eine, zwei oder drei sehr geeignete und dann weniger geeignete Hennen hat. Schon aus der Sicht der Variationen der einzelnen Merkmale ist eigentlich diese oder jene Henne aufgrund des Kammes, der Form, des Typs, der Farbe u.a. nicht so geeignet. Aber haben wir nur einen Stamm, werde ich mich für die besten sechs, acht Hennen entscheiden müssen und diese kommen an den Hahn, ob sie nun ganz hervorragend oder weniger gut passen. Es bleibt mir ja keine andere Wahl. Habe ich zwei, drei oder vier Varianten zur Verfügung, kann ich doch drei oder vier Stämme mit jeweils zwei Hennen passender zusammenstellen. Ich glaube schon, diese Betrachtungsweise wird jedem klar machen, dass es damit möglich ist, die Voraussetzung für bessere Nachkommen zu schaffen.


2. Höhere Sicherheit erfolgreicher Nachzucht


Das wird so manchen Rassegeflügelzüchter mit kleinem Bestand schon öfters die Haare zu Berge stehen lassen: Wenn ich nur einen Hahn habe, einen Erpel, einen Ganter, was passiert, wenn dieser nicht befruchtet? Dann habe ich unter Umständen dieses Jahr von meinen Tieren keine Nachzucht. Oftmals wird dann noch schnell nach einem Rettungsanker gesucht. Manch vorsorglicher Züchter hat auch in der Umgebung oder zu Hause noch ein paar Reservehähne. Aber manchmal ist das nicht gegeben und dann beginnt das große Suchen und nur mit Glück kann man einen Hahn bekommen. Auf jeden Fall, wenn man überhaupt noch Küken, Nachkommen bekommt, wird es dann sehr spät und den großen Angriff auf die Schausaison des Jahres wird man nicht starten können.


3. Höhere Variationsbreite der ausgeprägten Merkmale


Wenn ich nur ein Vatertier in der Zucht habe, bestimmt dieses zu einem großen Teil über die Qualität der Nachzucht. Es wird sich zeigen, wie und welche Hennen an diesen hervorragenden Hahn passen und wie das Resultat aussieht. Habe ich den falschen Hahn gewählt, der schlechte Merkmale vererbt, dann ist auch unter Umständen dieser ganze Jahrgang ohne Erfolg. Als Beispiel soll hier ein Zuchtergebnis älteren Datums aus der Zucht des Verfassers aufgeführt werden. Hier wird das Problem zwischen Genotyp und Phänotyp deutlich. Der Phänotyp eines Tieres deutet an, was es zu sein scheint und nur diesen Phänotyp kann der Preisrichter auf Ausstellungen bewerten. Der Genotyp, das Zuchtergebnis verrät uns, was ein Tier tatsächlich ist. Erst in seinen Nachkommen wird der Zuchtwert des Tieres deutlich und dort der wahre Wert.


4. Zuchtergebnis, Zuchtwert


Ein Phänomen, was selten vorkommt, waren vier Vollgeschwister (Hähne) gold-blaugesäumter Wyandotten, die selbst für den Verfasser schwer auseinander zu halten waren. Sie hatten alle Vorzüge in Form, Typ, Farbe, Zeichnung und alle einen kleinen Wunsch - der Kammansatz war etwas offen. Das war der Phänotyp der Tiere. Der nach meiner Ansicht beste Hahn brachte bei seinen Nachkommen 41 Küken, wo nur 4,9 % (2 Tiere) einen guten Kamm, 43.9 % (18 Tiere) das gleiche Problem des Vaters und über 50 % der Nachkommen einen verschlechterten Kamm hatten. Der vermeintlich zweitbeste Hahn brachte in der Nachzucht 97 % gute Kämme. Das bedeutet aber, hätte ich hier nur einen Hahn in die Zucht genommen und mich garantiert für die Nummer 1 entschieden, wäre der ganze Jahrgang schlecht gewesen und diese groben Fehler wären im Bestand und wenig ausstellungsfähige Tiere vorhanden. Da beide vorhanden waren, konnte ich die Nachkommen vom ersten Stamm ausmerzen und die aus dem zweiten Stamm zur Weiterzucht verwenden.


5. Inzucht kann weitestgehend gering gehalten werden


Es ist logisch, wenn man jährlich nur mit einem Hahn züchtet, dass alle Nachkommen die Erbanlagen dieses Hahnes haben. Und wenn ich im nächsten Jahr nicht fremde Tiere hinzu kaufe, was auch immer wieder Probleme mit sich bringt, habe ich sofort eine Inzuchtpaarung und der Inzuchtgrad in meinem Bestand erhöht sich. Es kann bei Zuchtmodellen günstig sein, im gewissen Grad auch Inzucht zu betreiben. Wir wissen alle, dass wir uns bei der Auslese- oder Kreuzungszucht mit additiven und nichtadditiven Genwirkungen beschäftigen. Nach BRANDSCH (1986) ist die Züchtung eine Gratwanderung zwischen diesen beiden Alternativen. Entweder der Züchter behält das Gleichgewicht oder er stürzt ab. Eine richtige Kreuzungszucht benötigt immer Reinzucht, und Kreuzungszucht mündet wieder in Reinzucht. Hier muss man an die von Herrn Rice getroffenen Aussagen zurückdenken: "Züchten heißt in Generationen denken". Ein gewisser Inzuchtgrad kann für die Festigung bestimmter Merkmale von Bedeutung sein. Man muss aber aufpassen, dass man negative Merkmale nicht in dem Maße ebenfalls im Bestand festigt. Bei mehreren Stämmen kann man dort gezielt etwas gegenhalten, sich verschiedene Linien aufbauen und dann wieder eine Rotation durchführen, um die Inzucht nicht zu stark werden zu lassen.


Zuchtstamm 1,3 Toulouser Gänse, grau


6. Aufbau verschiedener Linien


Dieser Punkt ist wiederum eng verbunden mit der Verminderung der Inzucht. Aber auch gezielte Linienzuchtprogramme, in dem die einzelnen Linien mit bestimmten Schwerpunkten oder aus bestimmter Herkunft gezüchtet werden, so dass es immer wieder Verpaarungseffekte gibt, die nicht bloß im gewissen Sinne additive sondern auch im gewissen Sinne fast schon Heterosiseffekte wirken lassen, sind möglich. Natürlich darf kein Tier mit einem groben Fehler (Ausschlussfehler) in einen Zuchtstamm. Dass Schwerpunkte auf bestimmte Merkmale in den einzelnen Stämmen gelegt werden und somit der züchterische Fortschritt viel schneller vorangetrieben wird, ist klar. Durch die Kombinierbarkeit dieser Tiere ist dann schneller das Ziel zu erreichen.


7. Zucht über längere Zeit ohne Zukauf


Dieser Punkt hängt sehr eng mit den vorangegangenen Punkten zusammen. Der Zukauf ist sicher hier und da möglich und notwendig. Wenn ich unter Umständen doch einen sehr hohen Inzuchtgrad erhalte, oder in einigen Merkmalen nicht weiter komme, dann ist es sinnvoll, dass man zukauft. Hat man mehrere Stämme, kann das zugekaufte Tier nur einen kleinen Anteil der Zucht beeinflussen. So besteht die Möglichkeit, es erst zu testen. Denn mit den positiven kommen auch oftmals negative Eigenschaften mit in den Bestand. In welchem Maße das Tier in der Vererbung zu den eigenen Leistungen der eigenen Tiere passt, ist nicht klar.


8. Geprüfte Altstämme neben zu prüfenden Jungstämmen


Oft ist es so, dass man einen kleinen Stamm erprobter, zuchtwertgeschätzter, geprüfter Tiere behält. Normalerweise müssen aber, wenn das züchterische Anliegen stimmt, die jungen Tiere genetisch wertvoller sein. Behalte ich nur die Alten, habe ich den züchterischen Fortschritt verkauft. Behalte ich nur die Jungen, weiß ich noch nicht, welche Leistungen sie bringen. Somit ist auf der einen Seite Bewährtes, auf der anderen Hoffnungsvolles vorhanden. Wenn man dazu noch eine Kreuzungsvariante oder eine Veränderung durch Fremdtiere einbezieht, ist es noch günstiger. Hierbei soll auf ein Phänomen Einfluss genommen werden. Wir alle wissen, dass die Geschlechtsvererbung über ein Chromosom erfolgt, der Hahn zwei X-Chromosome und die Henne ein X-Chromosom hat. Viele Merkmale liegen auf diesen Geschlechtschromosomen. Aus diesem Grunde ist es empfehlenswert, wenn etwas verbessert und verändert werden soll, nebenbei beide Paarungsrichtungen durchzuführen, wenn nicht ganz genau bekannt ist, ob der Hahn oder die Henne dafür zuständig sind. Denn sonst kann es passieren, dass eine bestimmte Verpaarung keine Erfolge brachte, dabei hat es nur am Geschlecht gelegen.


Als Beispiel soll hier der Kreuzungsversuch bezüglich Bruttrieb genannt werden. Dieser kommt meistens immer über den Hahn. Das heißt, stammt ein Hahn von einer Henne, die Bruttrieb hat, ist ein großer Anteil Glucken im Bestand. Wer das nicht möchte, muss darauf achten, dass nur Hähne eingesetzt werden, die nicht von einer Glucke stammen. Hier wurden Versuche gemacht, in dem Polnische Grünfüßer-Hähne mit weißen Leghorn-Hennen verpaart wurden. Es entstand ein Anteil von fast 80 % Glucken. Indem aber ein Leghornhahn mit Polnischen Grünfüßer-Hennen verpaart wurde, waren 0 % Glucken zu erreichen. So, wie dieser Bruttrieb mit dem Geschlecht vererbt wird, kann das auch für Rassenmerkmale der Fall sein. Deshalb ist ein doppelter Weg, d.h. die Verpaarung in beiden Richtungen günstig.


9. Schneller züchterischer Fortschritt


Bei der Abhandlung der einzelnen Punkte hat sich nun schon gezeigt, dass mit mehreren kleineren Stämmen, somit mehreren Paarungsrichtungen, die Möglichkeit einen schnelleren züchterischen Fortschritt zu erreichen auf jeden Fall gegeben ist.


Die Gefahr, dass ein Vatertier nicht befruchtet und keine oder dann nur späte Nachkommen zu verzeichnen sind, ist gebannt. Durch bessere Anpaarung und durch viele Varianten kann man eine größere Merkmalsausprägung erzielen. Der Inzuchtgrad kann gering gehalten weiden. Weniger Tiere müssen dazu gekauft, die daran gebundenen Probleme können klein gehalten werden.



Ich wünsche allen Züchtern "Gut Zucht" in jeder Saison und ein gutes Händchen bei der Zusammenstellung der Stämme.



Autor: Dr. Manfred Golze, Taucha
Quelle: Geflügelzeitung 4/2004